Kuh-Urteil
Der tragische Unfall einer deutschen Touristin, die auf einer Tiroler Alm von Kühen zu Tode getrampelt wurde, weil sie ihren Hund nicht von der Leine ließ, löste heftige Diskussionen aus. Das Medienecho über das Urteil, welches einen Tiroler Landwirt in erster Instanz zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet, scheint deswegen so gewaltig, weil der Innsbrucker Richter offensichtlich das „Wesen“ von Almwirtschaft nicht ausreichend würdigt.
Auf einigen tausend Almen werden in Österreich jeden Sommer einige hunderttausend Rinder freilaufend gehalten – und das seit vielen Jahrhunderten. Das bedeutet – und alle Wandernden, Radfahrenden, Autofahrenden, die sich jemals auf so einer Alm bewegt haben wissen das – dass sich Rinder im gesamtem Almgebiet frei bewegen können. Sie steigen über Felsen, liegen auf Almwiesen, stellen sich bei Regen manchmal unter Bäume und können einem oft auch auf Straßen oder Wegen begegnen. Ja, manchmal liegen sie sogar quer über eine Straße und man muss warten oder ausweichen.
Jetzt kommt der Hund ins Spiel, der – völlig unabhängig von seiner Größe, aber wegen seiner genetischen Abstammung vom Raubtier Wolf – von den Rindern als Bedrohung wahrgenommen wird. Je nach Abstand und auch Stimmung werden die Rinder auf diese Bedrohung reagieren. Sollten sie – besonders bei Mutterkuhhaltung in Sorge um die Kälber durchaus gefährlich – auf den Hund zulaufen, reicht ein Handgriff, um die Leine zu lösen. Noch nie ist ein freilaufender Hund von einer Kuh verletzt, geschweige denn zu Tode getrampelt worden, weil er viel schneller ausweichen kann. Und jede/r Hundehalter/in sollte in der Lage sein, den Hund nach dem Passieren der Rinderherde wieder an die Leine zu nehmen. Ganz abgesehen davon, dass es keinerlei Zwang gibt, Hunde auf Almen mitzunehmen.
Wenn ein Richter in seiner Urteilsbegründung 300 bis 400 Meter Zaun fordert, so muss er sich die Frage gefallen lassen, welches Recht dann nach 410, 420 oder 430 Metern gelten soll? Gespannt darf man auf die Urteile weiterer Instanzen warten.