Neue Normalität
„Ich hab zwar ka Ahnung, wo i hinfahr, dafür bin i schnölla durt!“ sang Helmut Qualtinger als „Wülda mit seiner Maschin“ in den 1950er Jahren. Nach zwei Weltkriegen lag Europa in Trümmern, Österreich war mit dem Wiederaufbau beschäftigt und die Kabarettszene erlebte eine Hochblüte. Erst im direkten Vergleich wird deutlich, wie völlig anders die Lage Österreichs im Frühjahr 2020 ist – und wie unangebracht jegliche „Kriegsrhetorik“ und zur Schau gestellte Empörung. Die Maßnahmen der Regierung zum Schutz der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung waren höchst erfolgreich und für Zweifler und Verschwörungstheoretiker gilt: der Vergleich der Zahlen macht sicher!
Ganz ohne Zweifel wird nach dem Corona-Lock-Down die größte weltweite Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg zu bewältigen sein. Und die Versuchung ist groß, mit gesenktem Blick los zu stürmen, um so schnell wie möglich die „Vor-Corona-Verhältnisse“ wiederherzustellen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und nicht zufällig gilt die „Lebensstiländerung“ in der Medizin als schwierigste Therapie! Mit scharfem Blick schildert Paul M. Zulehner die europaweite Grundstimmung der letzten Jahrzehnte: „Wir arbeiten uns zu Tode, wir amüsieren uns zu Tode und die Liebe stirbt immer öfter an Überforderung. Es ist der Versuch, den Himmel auf Erden zu erreichen. Das erste Merkmal eines solchen Lebens ist, dass es immer schneller wird, weil wir das Maßlose im Mäßigen erhaschen wollen. Solches Leben wird aber zunehmend anstrengend, anfordernd, ja überfordernd. Es wundert nicht, dass solches Leben geprägt ist von der untergründigen Angst, es letztlich nicht zu schaffen, mit seiner Jagd nach dem Glück für sich zu kurz zu kommen.“
„Eine andere Welt ist möglich“ lautete vor rund 20 Jahren ein Slogan, der mittlerweile durch die „Fridays for Future“-Bewegung um den Aspekt erweitert wurde, dass wir keinen Planeten B in Reserve haben. Also werden wir – im Unterschied zum „Wüldn“ – zuerst entscheiden müssen, in welche Richtung wir wollen. Die Chance zu einer „neuen Normalität“ zu kommen, war nie größer!