In 7 Stationen von der Krise in eine neue Normalität: Station 4 „SUBSIDIARITÄT“
Mehr subsidiäre Stärkung von kleinen Einheiten, wie z.B. Familien und Gemeinden und weniger Zentralismus.
So sperrig und fremd das Wort „Subsidiarität“ auch klingen mag, ist es doch sehr einsichtig. Der „hilfreiche Beistand“ (vom lateinischen: „subsiduum – Hilfe“ abgeleitet) ist Hilfe zur Selbsthilfe und kennt immer zwei Seiten: Einerseits darf alles, was kleinere Einheiten, wie z.B. Familien und Gemeinden selbst zustande bringen, diesen keinesfalls entzogen werden. Andererseits ist es Aufgabe und Pflicht größerer Einheiten, wie z.B. von Staaten oder der EU, dort Hilfe zu leisten, wo die „Kleinen“ überfordert sind. Dies ist ein für unsere Gesellschaftsordnung wesentlicher Balanceakt, der ständig gegen die Gefahr eines überbordenden Zentralismus ankämpfen muss und gleichzeitig notwendige Hilfe nicht verweigern darf.
Im Frühjahr 2020 traten in der Corona-Krise beide Seiten in Erscheinung: In ganz vielen Familien haben sich bisher fast vergessene Qualitäten gezeigt. Mit Kraft und Kreativität wurde für die Kinder „Home-schooling“ jeden Tag neu erfunden, dies oft zusätzlich zur Verlagerung der Büroarbeit ins „Home-Office“ und der Bewältigung sämtlicher Hausarbeiten. Auch Nachbarn sind näher zusammengerückt, haben füreinander Verantwortung übernommen und sich deutlich mehr um Mitmenschen gekümmert, die allein und einsam sind. So überraschend und positiv diese Verhaltensweisen auch waren, zur gleichen Zeit hat die Krise schonungslos die Schwächen der EU aufgedeckt.
Die Ausbreitung des Virus ist nämlich nicht wie ein Rasenmäher über ganz Europa gefahren, sondern hat einzelne Regionen – mit tausenden Todesfällen – ganz massiv betroffen und andere nur ganz leicht gestreift. Hier wäre ein unverzüglicher „Feuerwehreinsatz“ notwendig, wo mit „Blaulicht“ aus wenig betroffenen Regionen Ärzt/innen, Krankenpfleger/innen und medizinische Güter zu den „Hot-Spots“ gelangen um in gemeinsamer Kraftanstrengung die Krise zu meistern. Stattdessen haben alle Mitgliedsländer der EU scheinbar das Wort „Union“ aus ihrem Bewusstsein verdrängt und innerhalb nationaler Grenzen jeweils eigene Programme umgesetzt.
Es liegt auf der Hand, was wir aus diesen Erfahrungen in einer „neuen Normalität“ anders und besser machen müssen: Unsere Nachbarn werden auch nach Corona einsam sein, unsere wertvollen Familien brauchen Liebe zum Leben und die EU hat Reformbedarf!
Franz Gosch ist FCG-Landesvorsitzender Steiermark & GPA-Bundesgeschäftsführer
Andreas Gjecaj ist FCG-Generalsekretär, ÖGB-Sekretär und Redakteur des „Vorrang Mensch“-Teams